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Heißer Februar für Herbst

Heißer Februar für Herbst
29.01.2010

Dem Rückschlag in Kitzbühel folgte eine grimmige Revanche in Schladming: Slalomstar Reinfried Herbst hat die emotionale Berg-und-Tal-Fahrt der vergangenen Tage am Dienstag im Triumph beendet. Mit dem zweiten Sieg im Nachtslalom zog der 31-Jährige nicht nur mit Ex-Topstar Alberto Tomba gleich, er eroberte auch das Rote Trikot zurück und hievte sich in die Favoritenrolle für den Olympiaslalom, den er möglicherweise schon als zweifacher Vater in Angriff nehmen wird.

Im ORF.at-Interview spricht Herbst über Erfolg und Niederlage, seine daraus gezogenen Lehren und erklärt auch, warum Tomba sein Vorbild ist und diese Saison für ihn auch ohne Olympiagold ein glückliches Ende finden würde.

ORF.at: Herr Herbst, was haben Sie in den vergangenen Tagen für sich gelernt?

Reinfried: Dass man im Slalom einfach ständig mit einem Ausfall rechnen muss, ob in Topform oder nicht. Wer nichts riskiert, wird nichts gewinnen. In Kitzbühel ist die Rechnung nicht aufgegangen, in Schladming schon. Du musst einfach bereit sein, immer alles zu geben. Irgendwann wird es belohnt.

ORF.at: Sind Sie mental gereift?
Reinfried: Ich glaube, dass ich mich durch das Auf und Ab der vergangenen Tage, durch diese schwierigen Momente noch mehr gefestigt habe. Mental stark war ich davor auch. Das konnte ich schon im letzten Jahr in Schladming beweisen und zeigen, was möglich ist. Dass mir dieses Kunststück erneut gelang, bestätigt meine geistige Kraft.

ORF.at: Was ist in Schladming ihrem Gefühl nach anders gelaufen als in Kitzbühel zwei Tage davor?
Reinfried: Im Prinzip brachte ich in beiden Bewerben gute Leistungen. In Kitz halt mit einem Fehler, der fast zum Ausfall führte. Doch darauf reduziere ich die Läufe nicht, denn bis dahin war ich sehr gut. In Schladming dagegen hatte ich keine Probleme. Fakt ist also, dass ich auch in Kitz eine super Leistung zeigte, bei dem einen Tor aber zu viel über dem Limit gewesen bin.

ORF.at: Sonst hätten Sie auch auf dem Ganslernhang gewonnen?
Reinfried: Zumindest war ich, wie wir nachher aufgrund von Analysen herausgefunden haben, bis zum Fehler erneut sechs Zehntel vor Felix (Neureuther) und auf klarem Siegeskurs. Das war schon in Zagreb so (Fünfter nach Führung im ersten Durchgang, Anm.). Auch dort hatte ich nur einen Fehler. Der Sieg war zwar futsch, aber deshalb sollte man nicht gleich alles schlechtreden.

ORF.at: Bei einem weiteren Ausfall in Schladming hätten Sie den Titel "Halbzeitkaiser" redlich verdient gehabt.
Reinfried: Da sollten die Medien wirklich ein bisschen aufpassen und nicht immer über vergangene Fehler berichten. In Schladming war ich gereizt, weil mir bei der Besichtigung nur Fragen über den Fehler in Kitz gestellt wurden. Das ist unwichtig. Es geht immer um das Hier und Jetzt. In Schladming eben um Schladming, um den ersten Lauf und nicht um den Patzer im zweiten vor zwei Tagen. Das war nervig und werde ich zukünftig nicht akzeptieren.

ORF.at: Ist die Kitzbühel-Enttäuschung nun endgültig überwunden?
Reinfried (lacht): Die ist erst dann ad acta gelegt, wenn ich am dortigen Podium ganz oben stehe. Und selbst wenn ich im Februar Olympiasieger werde, wird es mich anzipfen, dass ich in Kitz nicht gewonnen habe. Ich will das echt endlich einmal schaffen, ich will zur elitären Gruppe von Matt, Raich, Schönfelder und Pranger gehören.

ORF.at: Dafür haben Sie in Schladming schon zweimal gewonnen. Was sagen Sie zum Vergleich mit Alberto Tomba?
Reinfried: Nicht viel. Das ist eine ganz nette Nebenerscheinung, allerdings halte ich von Statistiken nicht viel. Damit kann ich nichts anfangen. Aber selbstverständlich ehrt es mich, wenn ich mit einer Allzeitgröße wie Tomba verglichen werde.

ORF.at: Ist er ein Vorbild?

Reinfried: Ja klar, schon allein aus dem Grunde, weil er ein echter Held war. Und er war nicht nur ein toller Skifahrer, sondern auch ein spektakulärer Showman.
ORF.at: Mit mehr als tausend Facebook-Freundschaftsanfragen binnen 24 Stunden sind Sie ihm in Sachen Beliebtheit auf den Fersen.
Reinfried: Schauen wir einmal. Dass meine Fangemeinde stetig wächst, freut mich natürlich irrsinnig, obwohl nicht nur Frauen (lacht) dabei sind - mindestens ebenso viele männliche Fans. Vor allem auf meinen Fanclub bin ich irrsinnig stolz. Was der in Kitzbühel (mehr als 600 Teilnehmer, Anm.) auf die Beine gestellt hat, wird ihm so schnell keiner nachmachen.

ORF.at: Inwiefern sind Sie von Ihren Erfolgen selbst überrascht?

Reinfried: Überrascht nur zu Saisonbeginn, vor allem in Levi. Nach Jahreswechsel weniger, weil ich wusste, dass ich gut drauf bin - es ist die Konstanz, die entscheidet. Ich bin nicht zufällig ganz vorne, auch deshalb, weil meine Trainingsleistungen immer gut waren und ich trotzdem genug Spielraum nach oben hatte. Ich wusste, dass ich schnell bin und noch schneller sein kann.

ORF.at: Un das trotz der Doppelbelastung mit Training und Modekollektion, die Sie selbst entworfen haben - wie ist das vereinbar?
Reinfried: Das ist ganz einfach zu erklären: Mode ist mein Steckenpferd, aber nur meine zweite Disziplin. Andere haben davon gleich vier, nämlich Abfahrt, Super-G, Riesentorlauf und Slalom. Mein Riesentorlauf ist halt die Modekollektion.

ORF.at: Fühlen Sie sich aufgrund Ihrer Siege als Frontman der ÖSV-Boygroup?
Reinfried: Ganz und gar nicht. Dazu haben wir viel zu viele Persönlichkeiten in der Mannschaft, die ihrerseits auf Riesenerfolge zurückblicken - jeder Einzelne, angefangen bei Benni Raich, der im Weltcup seit zehn Jahren in der Weltspitze mitfährt. Stars gibt es viele, ich bin nur der Fahrer mit den derzeit besten Resultaten.

ORF.at: Und der beste Slalomläufer der Gegenwart, wie Weltmeister Manfred Pranger sagte?

Reinfried: Das mag durchaus so sein. Ich gehöre vielleicht zu den Besten der Gegenwart, ich bin aber ganz bestimmt nicht der Beste aller Zeiten.

ORF.at: So oder so gelten Sie als heißer Anwärter auf Olympiagold - eine Bürde?
Reinfried: Wer in sieben Rennen viermal auf dem Stockerl steht und dreimal gewinnt, darf sich nicht wundern, wenn er als Favorit gehandelt wird. Klar ist aber auch, dass es zehn weitere Athleten gibt, die Gold holen könnten. Ich selbst bin also nur einer von mehreren - und verspüre nicht mehr Druck als jeder andere.

ORF.at:Kennen Sie den Hang in Whistler Mountain?
Reinfried: Nein, gar nicht, ich war noch nie dort, habe null Erfahrungswerte. Ich weiß nicht einmal, wie steil der Hang ist. Angeblich nicht so steil, ähnlich wie in Levi und Alta Badia (lacht). Mein Vorteil ist, dass ich mich auf jedes Rennen einstellen und überall schnell sein kann - sofern ich gut drauf bin.

ORF.at: Würden Sie den Weltcup gegen Olympiagold eintauschen?
Reinfried: Das Rote Trikot ist enorm wichtig, Olympiagold aber der Traum jedes Skiportlers - in den Genuss von Silber kam ich ja schon, und gegen eine Goldmedaille hätte ich nichts einzuwenden. Doch dafür müssten an einem Tag alle Faktoren passen. Im Gegensatz dazu zeichnet der Weltcup den konstantesten Fahrer aus, nicht immer den besten. Um auf die Frage zurückzukommen: Ich will beides gewinnen.

ORF.at: Und wenn nicht?
Reinfried: Mein Lächeln hängt nicht von einer Olympiamedaille ab. Falls es in Vancouver nicht klappt, werde ich trotzdem zufrieden sein: Ende Februar, also unmittelbar nach den Spielen, erwarten wir unser zweites Kind - sportliche Erfolge hin oder her, das ist ein Traum für jeden Familienvater.

ORF.at: Ihr spezieller Wunsch für den Rest der Saison?
Reinfried: Gesundheit für meine Familie und, dass ich fit bleibe - die Voraussetzung für Spitzenleistungen. Damit ich auch in den nächsten Rennen noch zeigen kann, was ich wirklich draufhabe. Dann wird die Saison so aufhören, wie sie begonnen hat - und ich der glücklichste Mensch sein.

Das Gespräch führte Michael Fruhmann, ORF.at

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